„Interesse an Informationen aus erster Hand“

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„Unglaubliches Interesse an Informationen aus erster Hand“

Beim zweiten virtuellen Neujahrsemfang der BdKom-Landesgruppe Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland blickte die Sprecherin der Landesregierung Rheinland-Pfalz, Andrea Bähner, auf das Krisen- und Bundestagswahljahr 2021 zurück. Sie erzählte sehr einfühlsam und detailreich, wie die Krisenkommunikation zur Ahrtal-Flut ablief, wie Corona die Kommunikation geprägt und verändert hat und wie politische Kommunikation in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spaltung aussehen sollte.

Eigentlich war Andrea Bähner TV-Journalistin beim SWR mit Erfahrung in Kriegsberichterstattung im Zweiten Golfkrieg und im Jugoslawischen Bürgerkrieg. Bis 2010 leitete sie auch die Redaktion von „ARD-Aktuell“. 2016 wurde sie dann von der Rheinland-Pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gefragt, ob sie Regierungssprecherin werden wolle.

Diese Frage traf Bähner unvorbereitet, sie nahm aber nach kurzer Bedenkzeit an. Ein Grund dafür war die aufkommende gesellschaftliche Spaltung, die sich in den Gründungen von Pegida und AFD zeigte. Weil Politik und Medien immer wieder in Frage gestellt werden, muss eine Regierung aus Bähners Sicht transparent und offen kommunizieren, Kontakt mit Bürgern suchen und Missstände beim Namen nennen.

Bei Dienstantritt fand sie eine klassische Pressestelle in der Mainzer Staatskanzlei vor und baute sie schrittweise zu einem Mediendienst um. Ein Redaktionssystem vereinfachte fortan die Inhaltsverwaltung. Die morgendliche Presseschau wurde zu einem Medienspiegel ausgebaut. Eine erweiterte Social-Media-Kommunikation ergänzte die Medienarbeit für Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen. „Wir wollen die Menschen dort informieren, wo sie sind. Und das sind vor allem und immer häufiger digitale Marktplätze. Daher ist Malu Dreyer auch eine der digitalsten Ministerpräsidentinnen in Deutschland“, so Bähner.

Klare Botschaften für alle Kanälen

Die Corona-Pandemie stellte dann die Kommunikation vor eine bislang undenkbare Herausforderung: „Wir wussten nichts über das Virus, hatten nichts, um uns davor zu schützen.“ Die Landesregierung musste „auf Sicht fahren“. Um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, gründete sie ein Corona-Bündnis mit Vertreten aus 80 Organisationen, Schulen, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden.

Neu war die Erfahrung, dass Fernsehsender ganze Pressekonferenzen übertrugen und die Menschen das auch sehen wollten. Zugleich lässt sich ein gewisser Teil der Bevölkerung inzwischen gar nicht mehr erreichen. Darauf reagiere die Landesregierung mit Offenheit und Transparenz, so Bähner: „Wir müssen klare Botschaften haben und das auf allen Kanälen kommunizieren.“ Gleichzeitig müsse sich die Ministerpräsidentin als nahbare Person zeigen und auch einen Blick hinter die Kulissen der Politik zulassen. Daher sei Malu Dreyer regelmäßig ohne großen Tross in Rheinland-Pfalz unterwegs. Nur in eine TV-Diskussion mit einem echten Corona-Leugner würde Bähner ihre Chefin nicht schicken. Man könne mit einer solchen Diskussion diesen Menschen nur eine viel zu große Bühne für ihre kruden Theorien bieten, ist sie überzeugt.

Dann kam die Ahrtal-Flut

Im Juni 2021 war es, in der letzten Regierungswoche kurz vor den Sommerferien. Bähner erinnerte sich: „Eigentlich waren wir alle urlaubsreif durch die vielen Corona-Krisenmonate. Dann taten sich plötzlich Himmel und Erde auf. Die Schilderungen der Betroffenen und die Bilder werde ich mein Leben lang nicht mehr vergessen.”

Es galt, die Krisenkommunikation der Technischen Einsatzleitung zu unterstützen. Wie viele Rettungs- und Bergungskräfte sind im Tal? Wo sind sie genau? Wie lange sind sie gebunden? Immer wieder gab es verängstigende Falschinformationen, etwa dass ein Damm brechen könne. Immer und immer wieder war crossmediale Kommunikation nötig, um gegenzuhalten. Alle Pressemitteilungen wurden durch Social-Media-Kommunikation ergänzt. „Es gab ein unglaubliches Interesse an Informationen aus erster Hand“, sagte Bähner.

Es gab Pressetermine, mit über 100 Journalisten aus aller Welt. Neu war, dass auch viele Influencer, und Blogger sich vor Ort informierten. Manche waren mit den eingeübten Regeln des Journalismus und der Arbeitsaufteilungen bei Presseterminen nicht vertraut. So habe sich mancher nicht an die Vorgaben gehalten, dass sensible Termine und Gespräche nicht von allen gefilmt werden können, sondern von einer Poolkamera, die das Material dann allen zur Verfügung stellt. Es wurde immer schwieriger, bei dem enorm großen Interesse die nötige Distanz zu den Flutopfern zu wahren und damit auch ihre Privatsphäre zu schützen. Als Bundeskanzlerin Merkel im Juli 2021 das Krisengebiet zum ersten Mal besuchte, war der Pressepunkt daher 10 km vom eigentlichen Krisengebiet entfernt. Nicht alle Berichterstattenden fanden das gut.

Der niedrigschwellige Zugang zu Übertragungstechnik und die Always-On-Berichterstattung via Smartphone haben die Spielregeln der Kommunikation nachhaltig verändert. Bähner: „Wenn immer und überall eine Kamera mitläuft, muss man immer wachsam sein.“ Ministerpräsidentin Malu Dreyer sei eine sehr empathische Ministerpräsidentin und habe für die Situation der Betroffenen immer ein feines Gespür, so Bähner. Nicht allen Politikern gelang das im Flutgebiet gleichermaßen.

Von Stolz über das Geleistete wollte Andrea Bähner nicht sprechen. Umso eindrücklicher schilderte sie ihren bewegendsten Moment des vergangenen Jahres: eine einsame, von der Flut zurückgelassene Puppe und einen Teddybär im Dreck, mitten auf der Straße. Das habe sich in ihr Gedächtnis eingebrannt, sagte sie, es stehe stellvertretend für all die Opfer jener furchtbaren Flutnacht.


Zum Auftakt der Veranstaltung wurde virtuell angestoßen.

Text: Oliver Claas
Bilder: Bettina Schmidt