Stellungnahme des Bundesverbandes der Kommunikatoren (BdKom) zum Verhaltenskodex für Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter im Rahmen des Lobbyregistergesetzes
Der Bundesverband der Kommunikatoren e.V.
Der BdKom (Bundesverband der Kommunikatoren) ist die führende berufsständische Vereinigung für Presse- und Kommunikationsverantwortliche aus Unternehmen und Organisationen im deutschsprachigen Raum. Der Verband macht sich für den Beruf stark, treibt seine stetige Professionalisierung voran und vertritt die Interessen seiner 4.500 Mitglieder in Politik und Öffentlichkeit.
Allgemein
Der BdKom bedankt sich sehr für die Möglichkeit zur Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf eines Verhaltenskodex vom 10. Mai 2021 und den weiteren Erläuterungen, die im Internet unter https://www.bundestag.de/lobbyregister veröffentlicht wurden.
Wir begrüßen grundsätzlich die Schaffung eines Lobbyregister. Der Verhaltenskodex ist für die Mitglieder des BdKom von einiger Relevanz, da §1 des Lobbyregistergesetzes den Anwendungsbereich und damit die Pflicht zu einer Registrierung und sich alle nachfolgend daraus ergebenden Pflichten sehr weit fasst und nicht etwa nur auf die Tätigkeit professioneller „Lobbyisten“ bezieht. Als „Interessenvertretung“ wird nunmehr „jede Kontaktaufnahme zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungs- oder Entscheidungsprozess der Organe, Mitglieder, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages oder zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungs- oder Entscheidungsprozess der Bundesregierung“ definiert und zur Gruppe der „Interessenvertreterinnen oder Interessenvertreter“ zudem „alle natürlichen oder juristischen Personen, Personengesellschaften oder sonstigen Organisationen, auch in Form von Netzwerken, Plattformen oder anderen Formen kollektiver Tätigkeiten, die Interessenvertretung […] selbst betreiben oder in Auftrag geben“ gezählt.
Damit aber unterfallen zukünftig auch solche Aktivitäten dem Geltungsbereich des Gesetzes, die bislang überwiegend der Öffentlichkeitsarbeit zugerechnet wurden und nicht etwa dem Bild „klassischen“ Lobbyings entsprechen, zu dem sich die Mehrheit der Pressesprecher*innen und Kommunikator*innen ihrem Selbstverständnis nach auch nicht zählen, gerade wenn sie überhaupt nur gelegentlich mit politischer oder politiknaher Kommunikation befasst sind.
Der Gesetzgeber hat ausweislich der Materialien zur Entstehung des Gesetzes die Weite des Geltungsbereiches selbst als Problem erkannt und den dafür verantwortlichen §1 mit Hilfe des §2 auf ein verhältnismäßiges und verfassungskonformes Maß zu begrenzen versucht. So werden bestimmte Tätigkeiten und Akteure ganz oder teilweise ausgenommen und sind beispielsweise im Geltungsbereich der Informations- und Meinungsfreiheit des Art. 5 GG die Vertreter von Presse und Medien in der Ausübung journalistischer Tätigkeit von einer Registrierungspflicht befreit.
Für typische Tätigkeiten der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, wie etwa der Zurverfügungstellung eines Mustertextes für die Mitglieder oder Unterstützer eines Verbandes, besteht eine solche Ausnahme nicht, so dass sich hier für etliche Mitglieder des BdKom allein schon wegen der unvorhersehbaren Menge unterschiedlicher Kontakte eine Registrierungspflicht ergeben dürfte. Dieses kann vorhersehbar zu Friktionen führen, da sich diese einer Verpflichtung zur Registrierung kaum bewusst sein werden, insbesondere wenn es sich dabei nicht um regelmäßige Aktivitäten handelt.
Da die Nicht-Eintragung in das Register und die Nicht-Beachtung der Regelungen des Verhaltenskodex selbst bei einer lediglich fahrlässigen Begehung gem. §7 des Lobbyregistergesetzes als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld bedroht sind und zudem weitere, durchaus empfindliche Konsequenzen haben können, mit denen mindestens ein erheblicher Reputationsschaden und ein weitgehender Ausschluss von einer regelhaften Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren verbunden wäre, ist es wichtig, dass der Verhaltenskodex insbesondere Klarheit für die vom Gesetz nicht näher bestimmten Rechtsbegriffe herstellt. Dieses entspräche auch dem Anspruch des Bundestages, „dass der Verhaltenskodex für alle Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter, gleich welcher Organisationsform und inhaltlichen Ausrichtung, gelten wird und mögliche Verstöße in einem Prüfverfahren feststellbar sein müssen“.
Was konkret (noch) unter „Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit, Integrität“ fallen soll und was als „nicht unerhebliche Verstöße gegen diesen Verhaltenskodex“ sanktioniert werden kann, sollte insofern vorhersagbar sein, um die Gefahr einer willkürlichen Bewertung zu vermeiden und zugleich dem Vorwurf lediglich symbolischer, aber wirkungsloser Gesetzgebung zu begegnen. Insofern begrüßen wir einerseits den Anspruch, den Verhaltenskodex möglichst kurz, klar und handhabbar zu gestalten, sehen diesen aber noch nicht erfüllt, da in Ermangelung näherer Konkretisierung der Werte „Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit, Integrität“ der Verhaltenskodex für die Praxis kaum zu fassen sein wird.
Eine solche Konkretisierung muss nach Ansicht des BdKom zwar nicht in Form von Maßnahmenkatalogen geschehen, wie es teilweise gefordert wird, aber es wäre ein höheres Maß an nachvollziehbarer Grenzziehung wünschenswert, als sich dieses im aktuellen Entwurf findet.
Insofern sehen wir den Kodex in der jetzigen Fassung als noch nicht verabschiedungsreif an, sondern würden eine weitgehende Überarbeitung im Sinne klarstellender Konkretisierungen anregen wollen. Sehr gern stehen wir Ihnen dabei für eine gemeinsame Erarbeitung im Dialog mit anderen Vertretern der Zivilgesellschaft gern zur Verfügung.
Zu einzelnen Ziffern:
Zu Ziffer 1
Eine Funktion des Kodex sollte es sein, die unbestimmten Rechtsbegriffe des Gesetzes näher zu bestimmen und damit in der Anwendung handhabbar und mögliche Regelübertretungen vorhersehbarer zu machen. Die reine Wiederholung der Werte „Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit, Integrität“ im Rahmen der Ziffer 1 des Kodex leistet das allein jedoch nicht, da eine weitere Konkretisierung leider unterbleibt.
Zu Ziffer 2 und 3
Transparenz bei Kontakten und Treffen ist für Vertreter von Unternehmen und Verbänden, wie auch in der Kommunikation, eine Selbstverständlichkeit. Gerade in der Kommunikation wird bereits aus dem Inhalt der Botschaften deutlich, welche Branche und welche Interessen mit der Kontaktaufnahme verfolgt werden.
Da vom Anwendungsbereich des Lobbyregisters aber auch alle Kontakte abseits des Bundestages – zum Beispiel im Rahmen von Veranstaltungen – erfasst werden, sind vielfach Konstellationen denkbar, in denen Menschen zufällig und erstmals in Kontakt kommen. In ihrer jetzigen Form eröffnen die Regelungen in Ziff 2. und 3. Spielraum für Unstimmigkeiten, gerade weil neben den rund 600 Mitgliedern des deutschen Bundestages eine Vielzahl von Regierungsvertretern bis hin zu Unterabteilungsleitern den Verpflichteten oftmals gar nicht von Person her bekannt sind. Wie ist zur Erfüllung der Vorschrift bei erstmaligem Kontakt „auf die Eintragung in das Lobbyregister usw.“ hinzuweisen? Soll jedes zufällige Gespräch bei erstmaligem Kontakt im Umfeld von Regierung und Parlament prophylaktisch mit diesen förmlichen Hinweisen begonnen werden? Inwieweit besteht hier zudem die Erwartung an eine Dokumentation des Verpflichteten, um einer – ja auch bei fahrlässiger Verletzung dieser Regelungen – drohende Sanktion auszuschließen?
So sehr die Regelungen der Ziffern 2 und 3 zwar inhaltlich in ihrer Zielrichtung nachvollziehbar erscheinen, ohne nähere Bestimmung und Begrenzung sind sie jedoch wirklichkeitsfremd. Sie eröffnen zudem die Gefahr willkürlicher Sanktionierungen. Wir regen daher dringend eine Überarbeitung und Konkretisierung an.
Zu Ziffer 4
Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, die vom Lobbyregistergesetz erfasst wird, aber nicht dem gesetzgeberischen Leitbild unmittelbarer Ansprache von Mitgliedern des Bundestages und der Bundesregierung im Sinne „klassischen“ Lobbyismus entspricht, sind echte „Erfolgshonorare“ eher selten. Erfolgsabhängige Bestandteile der Vergütung für beauftragte PR-Agenturen oder Arbeitnehmer*innen sind jedoch absolut üblich. Selbst in Parteien – wie etwa im Falle der Vorsitzenden der Partei DIE GRÜNEN – sind erfolgsabhängige Sonderzahlungen bei besonderen politischen Erfolgen vereinbart und nicht zu beanstanden. Ebenso werden in der PR „Erfolge“ der Öffentlichkeitsarbeit regelmäßig im Rahmen von sog. KPIs gemessen und fließen insbesondere Faktoren wie Reichweite, das Erreichen einer Zielgruppe usw., in die Höhe der Bemessung einer Vergütung mit ein.
Wir gehen nicht davon aus, dass dieses tatsächlich problematisch wäre und tatsächlich mit Hilfe des Verhaltenskodex untersagt werden soll, sondern es wie bei der entsprechenden Bestimmung im Lobbyregistergesetz vielmehr nur darum gehen soll, dass keine am unmittelbaren politischen Erfolg einer Lobbymaßnahme ausgerichtete Honorierung einen falschen Anreiz setzen soll, der insbesondere dem Ziel der Integrität politischer Interessensvertretung widerspricht.
Sollte nichts anderes gewollt sein, würden wir auch hier eine klarstellende Überarbeitung der Ziffer 4 anregen wollen, da eine generelle Untersagung der Berücksichtigung von „Erfolg“, die auch erfolgsabhängige Bestandteile von Arbeitslohn und Honoraren insgesamt untersagen könnte, unverhältnismäßig wäre.
Zu Ziffer 5 und 6
Soweit das Verbot der Informationsbeschaffung „auf unlautere Art und Weise“ über die bereits strafbare Nötigung, die Verletzung von Dienstgeheimnissen etc. durch Bestechung, die ja extra erwähnt werden, hinausgehen soll, ist die nähere Bestimmung dessen, was unter „unstatthaftem Druck“ gemeint sein soll, wünschenswert. Wann etwa wäre der Hinweis auf mögliche politische Konsequenzen fehlender Information der Betroffenen hinsichtlich einer beabsichtigen gesetzgeberischen Handlung oder Unterlassung „unstatthaft“? Richtet sich das nach der subjektiven Bewertung des angesprochenen Parlamentariers oder der des Interessensvertreters?
Wir regen auch hier eine klarstellende Konkretisierung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe an, ansonsten die Streichung des letzten Halbsatzes der Ziffer 5 an.
Zu Ziffer 7
Wenn Informationen förmlich als vertraulich eingestuft oder Vertraulichkeit vereinbart ist, kann der Adressatenkreis und die Gewährleistung der Vertraulichkeit zwischen den Beteiligten ausdrücklich vereinbart werden.
Fraglich ist jedoch, was außerhalb solcher förmlicher Vereinbarungen als „Vertrauliche Informationen“ zu gelten hat und inwieweit der Verpflichtete auch dann noch zur Vertraulichkeit verpflichtet sein soll, wenn die Vertraulichkeit durch Dritte aufgehoben worden sein sollte. In der hier vorgesehenen Weise bestehen Zweifel an der Praktikabilität der Vorschrift, da viele Informationen bewusst von Zugriffsberechtigten, etwa an die Medien, durchgestochen werden und danach zwar noch formal vertraulich, faktisch aber bereits öffentlich sind.
Soweit durch den Verhaltenskodex hier für Interessensvertreter einen anderer Maßstab definiert werden soll, als er für andere Akteure des politischen Prozesses, etwa Journalisten, gilt, dürfte dieses im Widerspruch zu Art. 5 GG stehen. Wir regen daher insoweit eine klarstellende Konkretisierung der Vorschrift an.
Zu Ziffer 8
Eine Pflicht, auf eine direkte Einladung des Bundestages oder nach einer Zusendung im Rahmen einer (schriftlichen) Beteiligung durch die Bundesregierung „unaufgefordert“ in der vorgeschriebenen Weise mit einer „Selbstbelastung“ reagieren zu müssen, stellt sich als nach unserer Einschätzung lediglich als Maßnahme zur Entlastung der Mitglieder von Bundesregierung und Bundestag dar, das von ihr selbst geschaffene Register selbst nicht beachten zu müssen, bevor sie zur Stellungnahme eingeladen werden.
Dieses würde jedoch nicht nur den eigenen Anspruch des Gesetzgebers an dieses Register, sondern auch dessen Funktion insgesamt in Frage stellen. Zudem wäre damit ein nicht unerheblicher Grundrechtseingriff verbunden, der von den Vorschriften des Gesetzes nicht abgedeckt ist, weil er dem Grundsatz der „Selbstbelastungsfreiheit“ im Recht (nemo tenetur se ipsum prodere) widerspricht. Die Regelung ist daher ersatzlos zu streichen.
Zu Ziffer 9 und 10
Die Regelung der Ziffer 10 bedarf weitergehender Konkretisierung, da Regelungen zum Prüfverfahren in §5 des LobbyRG nicht enthalten sind und Hinweise dahingehend, was an überprüfbaren Angaben erwartet und daher auch zu beauskunften ist, gänzlich fehlen – vgl. Kommentar zu Ziff. 2 und 3 – und der Frage nach einer möglichen Pflicht zur Dokumentation der Erfüllung von Informationspflichten bei persönlichen Erstkontakten.
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