Nachbericht EZB-Besuch, 25. Mai 2023 „Gute Kommunikation lohnt sich und schafft Vertrauen“
Wir alle leben mit dem Euro – und vertrauen in seine Stärke und die Stärke des europäischen Finanzsystems. Aber wie fühlt es sich an, für die „Hüter des Euro“ zu kommunizieren und wie macht man das für 20 Mitgliedsländer des Euro-Raums?
Dazu hatte die Landesgruppe Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland zu einem Vor-Ort-Termin in der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt eingeladen. Nur ganz knapp verpasste die Gruppe dabei Bundeskanzler Olaf Scholz, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Sie und zahlreiche weitere prominente Gäste hatten am Vortag in einem großen Festakt gemeinsam mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde den 25. Jahrestag der Gründung gefeiert.
Am 1. Juni 1998 nahm die EZB ihre Arbeit in der Mainmetropole auf, damals noch im Eurotower am Willy-Brandt-Platz. Erst 2014 bezog die Bank ihren heutigen Sitz, ein markantes Gebäudeensemble im Frankfurter Ostend, das aus einem 185 Meter hohen Doppelturm, verbunden mit der ehemaligen Frankfurter Großmarkthalle, besteht. Folglich stand für die BdKom-Besucher zunächst ein Rundgang durch die imposante Eingangshalle mit zahlreichen Infotafeln und Exponaten auf dem Programm, bevor es mit dem Aufzug hoch in das Presse- und Besucherzentrum ging. Der Saal, in dem EZB-Präsidentin Christine Lagarde monatlich der Weltpresse die Zinsentscheidungen der Euro-Hüter verkündet, war das nächste Highlight – und alle durften sich zum Gruppenfoto dort einmal wie ein Notenbanker fühlen.
Anschließend gaben die stellvertretende Leiterin der EZB-News-Abteilung Uta Harnischfeger und Stefan Ruhkamp, Principal Expert in der Öffentlichkeitsarbeit, im Besucherzentrum einen tiefen Einblick in die Kommunikationsarbeit der „Hüterin des Euro“. Die Zentralbank vertritt 20 Euroländer mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen und Wirtschaftsmodellen – ihre wichtigste Aufgabe ist die Geldwertstabilität.
Vielfalt der Dialoggruppen, Sprachen und Interessen
Die Kommunikationsabteilung der ECB beschäftigt 200 Mitarbeitende, die Hälfte davon sind Übersetzer. Zwar sei die Standardsprache der Institution Englisch, erläuterte Uta Harnischfeger, aber zum Euroraum gehörten 340 Millionen Bürger und 24 Sprachen. „Besonders wichtige oder kritische Kommunikationsthemen werden übersetzt“, sagte sie. Das sei oftmals eine Herausforderung, vor allem bei Zeitdruck. Manchmal komme es bei Botschaften auf Nuancen an.
Zu den externen Dialoggruppen der ECB gehörten neben den Bürgerinnen und Bürgern die nationalen Notenbanken, die Finanzmärkte, Medien sowie Organisationen der Zivilgesellschaft. Darüber hinaus gäbe es im Euroraum 116 bedeutende Banken und 2.500 indirekt beaufsichtigte Banken. Nach innen kommuniziere das Team hauptsächlich über das Intranet mit den 4.300 Mitarbeitenden aus rund 30 verschiedenen Geschäftsbereichen.
Eine Herausforderung seien auch die unterschiedlichen Prioritäten und Diskurse in den Mitgliedsstaaten. Demzufolge unterscheidet sich die Medienaufmerksamkeit für EZB-bezogene Themen in den Mitgliedstaaten des Euroraums. „Französische, deutsche und niederländische Medien berichten zum Beispiel viel über Geldpolitik, während sich italienische Medien für das Thema Bankenaufsicht und Spanier für internationale Wirtschaft interessieren“, erklärte Stefan Ruhkamp.
„Das größere Publikum mit unseren Botschaften zu erreichen ist schwierig“
Im Jahr 2020 hat die Kommunikationsabteilung der EZB 2.800 Social-Media-Posts geteilt und 28 Blogbeiträge veröffentlicht. Darüber hinaus hat das Team 4.000 Medienanfragen und 16.000 öffentliche Anfragen beantwortet. Die Executives und Board Members haben 95 Interviews gegeben. Hinzu kamen 165 öffentliche Reden und 21.000 Besucher in der EZB.
„Das größere Publikum mit unseren Botschaften zu erreichen ist dennoch schwierig“ resümierte Stefan Ruhkamp. „Die meisten Menschen informieren sich über das Fernsehen und das Radio über die EZB – Medien, in denen wir nur wenig präsent sind.“
In jüngster Vergangenheit hätten daher neue, moderne Formate sowohl für das Fachpublikum als auch für die breite Öffentlichkeit Einzug in den EZB-Kommunikationsalltag gehalten. Auch achte man verstärkt auf verständliche Sprache und leicht zugängliche Visualisierungen. Zudem setze das Team auf nationale TV-Auftritte. „Die Zeiten haben sich geändert, EZB-Präsidentin Christine Lagarde kommuniziert mehr als ihre Vorgänger – auch im Fernsehen“, sagte Uta Harnischfeger. „Gute Kommunikation lohnt sich, wir genießen mehr Vertrauen, wenn die Bevölkerung besser informiert ist – zum Beispiel über das mittelfristige EZB-Ziel einer Inflationsrate von zwei Prozent,“ ergänzte Stefan Ruhkamp.
„Whatever it cakes“
Dass Christine Lagarde – seit 2019 an der Spitze der EZB – aktiver kommuniziert als ihr Vorgänger Mario Draghi, helfe, Vertrauen und Bürgernähe aufzubauen. Stefan Ruhkamp verwies dazu auf einen Tweet seiner obersten Chefin vom Vortag. Dort habe die Präsidentin ein Foto veröffentlicht, das zeigt, wie sie gemeinsam mit ihren Vorgängern Mario Draghi und Jean-Claude Trichet die Geburtstagstorte anschneidet. In Anlehnung an das berühmte Draghi-Zitat „Whatever it takes“ habe sie über das Bild “Whatever it cakes” geschrieben – der Tweet kam bei den Twitter-Nutzern sehr gut an.
Fotos: Hans-Georg Arnold / Text: Bettina Schmidt