Nachbericht „Denkfabrik“ mit Table.Media-Chefredakteur Michael Bröcker, 5. März 2024

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 "Handwerk statt Haltung“

 Table.Media hat sich an die Spitze des „Deep Journalism“ in Deutschland gearbeitet – tiefgreifende Recherche statt Meinung lautet das Motto. Doch der Markt wird immer härter umkämpft.   

 

Wie sieht der Journalismus der Zukunft aus und wie können seriöse Medien die Menschen mit seriösen Nachrichten künftig noch erreichen? Es ist die Gretchenfrage, die angesichts sinkender Auflagen und schwindender Werbeeinnahmen praktisch alle große Medienhäuser umtreibt. Eine Antwort darauf glaubt der Unternehmer und Verleger Sebastian Turner gefunden zu haben, beziehungsweise aus den USA erfolgreich kopieren zu können: „Deep Journalism“ nennt er sein Konzept von kostenpflichtigen Newslettern oder „Briefings“, die von renommierten Journalisten für klar definierte Zielgruppen erstellt werden. Der amerikanische Erfolgstitel „Politico“ steht für die Idee Pate. Im Berliner „Tagesspiegel“ etablierte Turner unter der Marke „Background“ die ersten dieser Special-Interest-Newsletter, inzwischen versammeln sein eigenes Unternehmen Table.Media mit gut 60 Redakteurinnen und Redakteuren elf solcher „Briefings“ – und es sollen noch mehr werden.

 

Zum Jahresstart gelang Turner dann ein echter Personalcoup, als er ausgerechnet Michael Bröcker vom Konkurrenten „Pioneer Media“ weglotsen und als Chefredakteur der Table-Gruppe verpflichten konnte. Und Bröcker, viele Jahre Chefredakteur der „Rheinischen Post“, ist vom Erfolg des „Deep Journalism“-Konzepts fest überzeugt, wie er in der „Denkfabrik“-Sitzung der BdKom-Landesgruppe Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland erläuterte. „Es gibt eine neue Gattung im Journalismus, an deren Spitze wir stehen wollen“, sagte er. Table-Media arbeite mit den Grundsätzen „Tiefe statt These“, „Handwerk statt Haltung“ und „Briefing statt Generalisten-Plattform“. „Die Menschen kritisieren immer mehr, dass in den Medien Nachricht und Kommentar nicht mehr voneinander getrennt werden. Das wollen wir anders machen. Handwerklich seriöser Journalismus mit tiefgehender Recherche, nur so hat die Branche eine Zukunft“, zeigte sich Bröcker sicher.

 

Dass dieses Konzept nicht für die Massen taugt, ist sich der Table.Media-Chefredakteur bewusst. Aber das sei auch nicht das Ziel, ebenso wenig, wie den thematisch breit aufgestellten Tages- und Wirtschaftsmedien den Kampf anzusagen. „Wir wenden uns an Entscheider und Entscheidungsvorbereiter, nicht an den tagesschau.de-Leser“, beschrieb er die Stoßrichtung. So strebt Table.Media zum Beispiel an, im politischen Berlin zur unverzichtbaren Lektüre zu werden – „klare Zielguppen in urbanen Zentren“, wie Bröcker es bezeichnete. Dass der ländliche Raum dabei außen vor bleibt, bestreitet er nicht. „Das ist eine faire Kritik“, räumte er ein. Ein Ansatz hierfür könnten regionale „Briefings“ sein, die sich auf alle Belange einer Stadt und ihrer Region mit viel Tiefgang kümmern – „den Bedarf dafür gäbe es ganz sicher.“

 

Mit Table.Media will der Chefredakteur allerdings erst einmal den eingeschlagenen Kurs fortsetzen und wirtschaftlichen Erfolg einfahren. Rund 200.000 Menschen erreiche man bereits mit den „Briefings“, Ende des laufenden Jahres könnten die ersten davon schwarze Zahlen schreiben, prognostizierte Bröcker. Groß genug für „Deep Journalism“ sei der Markt aber allemal, auf drei bis vier Millionen Menschen schätzt Bröcker die Zielgruppe für die Table-Produkte insgesamt.

 

Allerdings ist inzwischen auch ein starker Konkurrenzkampf auf diesem journalistischen Marktfeld entbrannt. Neben dem etablierten „Tagesspiegel“ und „Table.Media“ haben auch die „Süddeutsche“ und die „F.A.Z.“ ähnliche Produkte gestartet, Gabor Steingart hat die „Pioneer“-Mannschaft nach diversen Abgängen wieder aufgestockt und jüngst hat der amerikanische Platzhirsch „Politico“, der inzwischen Axel Springer gehört, nach Brüssel auch in Berlin sein „Playbook“ an den Start gebracht. „Die können das und sie haben Einfluss und Geld“, begründete Bröcker, warum er hier die stärkste Konkurrenz sieht. „Aber wir werden sehen, wer am Ende übrig bleibt“, fügte er mit einem Lächeln hinzu.