KI: Gloriose Zukunft oder zerstörerische Tendenz?

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Künstliche Intelligenz: Gloriose Zukunft oder zerstörerische Tendenz?

Künstliche Intelligenz verändert die Kommunikation und wird auch den Berufsstand von Kommunikatoren verändern. Darüber und über heikle ethische Fragen wurde auf dem BdP-Forum debattiert.

In all der Kompliziertheit der Debatte um Wohl, Wehe und Auswirkungen von künstlicher Intelligenz (KI) hilft ein simples Bild, um die Dinge zu veranschaulichen. „Lasst uns KI als ein Werkzeug betrachten“, regt Pina Meisel, Communications Manager Artificial Intelligence und Mixed Reality bei Microsoft Deutschland, an: „Es befähigt uns, etwas zu erreichen, etwas besser zu machen. Wie bei allen Werkzeugen kommt es darauf an, wie wir es einsetzen.“ Ob wir uns also – um im Bild zu bleiben – damit einen blutigen Daumen holen oder ob wir das perfekte Maß finden.

„Die nächste große Welle: Wie künstliche Intelligenz die Kommunikation verändert“ lautete der Titel des BdP-Forums in Berlin. Gut anderthalb Stunden lang wurde Anfang April im Atrium der F.A.Z. über Aspekte der neuen Technologien, ethische Verantwortung und mögliche Auswirkungen auf das Berufsbild von Kommunikationsverantwortlichen diskutiert. Dass dies Thema drängt und verfängt, war schon im Vorfeld rasch deutlich geworden: Binnen zwei Tagen war das Forum ausgebucht.

Vieles rund um KI, so wurde an diesem Abend deutlich, ist noch rätselhaft, manches befremdlich, und einiges wirkt beinahe beklemmend. Zum Auftakt skizzierte Buchautor Armin Sieber in einer Keynote unter anderem das Spektrum an Möglichkeiten bereits im Einsatz befindlicher Systeme wie Chatbots oder Dialogroboter à la Siri, Cortana oder Alexa. In der Automatisierung von Dialog liege eine erhebliche disruptive Kraft, sagte Sieber. Die Augen davor zu verschließen, hilft nichts.

„KI greift fundamental in das System der Massenkommunikation ein“, prophezeite der Optimist („Grundsätzlich glaube ich: Wir stehen vor glorioser Zukunft“). Dringend riet er jedem Kommunikator dazu, sich mit den Wirkweisen und dem Potenzial der neuen Technologien auseinanderzusetzen. Mit Blick auf ein Beispiel aus seiner Beraterpraxis fügte er augenzwinkernd hinzu: „Wenn selbst Genossenschaftsbanken mit Sprachdialogsystemen arbeiten, können wir sehen, wie weit das Thema schon fortgeschritten ist.“

Kritische Fragen: Was soll KI leisten dürfen?
Inwieweit KI unsere Gesellschaft(en) generell verändern wird und inwieweit ethische Fragen berührt sind, das war dann hauptsächlicher Gegenstand der Podiumsdiskussion mit Pina Meisel, Kay Oberbeck (Head of Communications and Public Affairs Central Europe Google), Christiane Woopen (Co-Sprecherin der Datenethikkommission) und Falko Mohrs (MdB, Mitglied der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“).

Es sei wichtig, „einen Common Sense zu finden, auf welche Werte man sich verständigt“, meinte Google-Kommunikator Oberbeck. „Im Vordergrund steht, dass der Mensch solche Systeme kontrollieren muss – und dass diese einen gesellschaftlichen Nutzen haben.“ Elementar wird sein, den Menschen durch gute Kommunikation zum Thema KI ihr Unbehagen zu nehmen.

Medizinethikerin Woopen zitierte die Schriftstellerin Juli Zeh, die einmal geunkt hatte: Totalitäre Systeme kommen heute im Gewand von Serviceangeboten. „Personalisierte Angebote von großen Unternehmen bringen viel Bequemlichkeit. Sie führen aber auch zu einer subtil entstehenden Dauerlangweile und auch zu manipulativem Potenzial“, sagte Woopen. Das betreffe auch – als wohl noch größere Gefahr ‒ den politischen Bereich.

Wenn Menschen mithilfe von KI auf subtile Weise in bestimmte Denkrichtungen gedrängt würden, bestehe darin eine Gefahr für die Demokratie. „Es steckt ein hohes Potenzial von individualisierter, psychologischer Massenkommunikation darin. Da haben Sie als Kommunikatoren eine extrem hohe Verantwortung!“, rief Woopen den Zuhörern im F.A.Z.-Atrium zu.

Die ethischen Zielsetzungen von KI seien sorgfältig abzuwägen, mahnte der SPD-Politiker Mohrs: „Wir tun gut daran zu sagen: Ein KI-System kann assistieren, aber am Ende des Prozesses steht eine menschliche Entscheidung.“ Was jedoch, wenn eine KI bessere Entscheidungen treffen kann als der Mensch? Dann wäre es eigentlich unethisch, den Menschen entscheiden zu lassen, oder? Ein Dilemma.

KI wird Arbeitsplätze vernichten ‒ aber auch neue schaffen
Unternehmen biete KI die Möglichkeit, aus Kundenperspektive Lösungen zu finden. Sie werde ein Katalysator sein, glaubt Mohr. Etwas provokant fügte er hinzu: „Ein Unternehmen, das es nicht schafft, sich in den nächsten Jahren darüber klar zu werden, was KI für seine Geschäftsprozesse und sein Geschäftsmodell bedeutet, wird wahrscheinlich keine wirkliche Zukunft mehr haben.“

Auf der Hand liegt: Arbeitnehmer von heute müssen sich auf die Anforderungen von morgen vorbereiten, wenn sie nicht abgehängt werden wollen. (Das Gleiche gilt übrigens auch für Kommunikatoren.) Dass KI Arbeitsplätze vernichten wird – aber auch erheblich viele schaffen und neue Berufe obendrein ‒, darüber herrschte auf dem Podium Einigkeit.

Knifflig daran ist: „Viele der Jobs der Zukunft können wir noch gar nicht prognostizieren – weil wir noch nicht wissen, wie sie aussehen werden“, wie Microsoft-Expertin Pina Meisel sagte. Umso wichtiger daher, eine Antwort auf ihre aufgeworfene Frage zu finden: Wie ermöglichen wir Weiterbildung von Kindes- und Schülerbeinen an?

Dass die „nächste große Welle“ der Digitalisierung längst da ist, daran bestand an diesem Abend kein Zweifel. Wie künstliche Intelligenz allerdings die Kommunikation verändern wird – und damit auch die Rolle von professionellen Kommunikatoren ‒, das riss das BdP-Forum in der Kürze der Zeit lediglich an. Diese Frage wird weiter zu erörtern sein.

Text: Jens Hungermann
Bild: Lena Giovanazzi