Gendern in Jobanzeigen: Gibt es mehr als „(m/w/d)“?

Home Blog Gendern in Jobanzeigen: Gibt es mehr als „(m/w/d)“?

Der BdKom veröffentlicht in jeder Ausgabe des Magazins KOM sowie online die Kolumne Fair formuliert. Die Autorin des Kompendiums Gendersensible Sprache greift darin jeweils eine Frage auf, die unter Kommunikationsprofis diskutiert wird. Diesmal geht es um die Gendergerechtigkeit in Jobanzeigen.

von Jeanne Wellnitz 

Das Interessante an der Textsorte Stellenanzeige ist, dass sie durch die Gesetzgebung diskriminierungsfrei sein muss und gleichermaßen wohl nirgendwo sonst so unkreativ für Gendersensibilität gesorgt wird wie in hiesigen Jobangeboten. Wer kennt ihn nicht, den spröden Klammerzusatz „(m/w/d)“? Durch ihn sollen sich alle angesprochen fühlen.
Als im Zuge der Novellierung des Personenstandsgesetzes Ende 2018 die Antidiskriminierungsstelle des Bundes den Zusatz „d“ empfahl, war vielen nicht klar, wofür dies stehe. In den Medien, auf Blogs und auf Twitter wurde spekuliert, ob es wohl „deutsch“ heiße – und das „(m/w/d)“ gar als „männlich, weiß, deutsch“ übersetzt werden müsse. Zur weiteren Verwirrung trug bei, dass es international für „disabled“ verwendet wird.
Das „d“ repräsentiert jedoch die sogenannte Dritte Option und ist die Abkürzung für „divers“. Der Gesetzgeber versteht darunter nur intergeschlechtliche Menschen. Der Bundesverband Trans* konkretisiert hingegen, dass dahinter vielschichtige queere Communitys steckten aus Frauen, Männern und nichtbinären Personen, die auch trans oder inter sein können.

Eine schnelle Lösung

Da der Gesetzgeber nicht ausformuliert hat, wie eine Gleichbehandlung der Geschlechtsidentitäten sprachlich umgesetzt werden soll, hat sich das „d“ als schnelle Lösung durchgesetzt. Aber ist es auch eine probate Antwort auf den Wunsch nach mehr Gendergerechtigkeit in Jobanzeigen? Konsultieren wir das Arbeitsrecht, dann lautet die Antwort Ja. Befragen wir jedoch unsere innere Quelle des kreativen und eleganten Formulierens, dann heißt die Antwort wohl eher Nein. Warum sollten sich Menschen durch einen einzelnen Buchstaben angesprochen, aufgefordert und gesehen fühlen? Und das ist es doch, was Stellenanzeigen erreichen möchten.
Es gibt auch andere Möglichkeiten. Etwa den Genderstern – das Zeichen für Vielfalt –, den die Antidiskriminierungsstelle seinerzeit ebenfalls vorschlug. Einige Unternehmen haben mittlerweile damit begonnen, ihn im Stellentitel einzusetzen, wie uns Stellenbörsen wie Goodjobs oder Superheldin zeigen. Der Berliner Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz schreibt sogar ausschließlich im generischen Femininum aus.

Der Gender Decoder

Sie können Texte aber auch durch subtilere Verfahren genderbalancierter gestalten: zum Beispiel mit dem Gender Decoder. Mit diesem Online-Tool der Technischen Universität München werden Stellenanzeigen in Hinblick auf weiblich konnotierte (kommunale) und männlich konnotierte (agentische) Wörter untersucht. Warum das interessant ist? Laut einer Studie der Linguistischen Unternehmensberatung LUB und des Sprachanalyse-Startups 100 Worte bewarben sich mehr Frauen, wenn im Stellenangebot mehr kommunale als agentische Wörter verwendet wurden.
Der Überhang an kommunalen Wendungen hat die Jobentscheidung bei Männern übrigens nicht beeinflusst. Flüstern Sie Ihrem HR-Team also ruhig einmal zu, die agentischen Wörter zu ersetzen: Aus Führung wird dann beispielsweise Zusammenarbeit, aus der Ambition das Engagement. Beschreiben Sie außerdem lieber Verhaltensweisen statt statische Merkmale: Das Adjektiv selbstsicher wandelt sich dann etwa in die Wendung die eigene Position klar vertreten, aus hartnäckig wird Ziele mit Ausdauer verfolgen.

Die richtige Mischung macht’s

Doch Obacht, konzentrieren Sie sich nicht nur auf diesen Kniff. Wie immer in der Kommunikation gilt: Texten Sie für Ihre Zielgruppe. Sprechen Sie diese also direkt an, erwägen Sie Gehaltstransparenz im Stellenangebot, führen Sie gendergerechte Arbeitgebervorteile an, nutzen Sie vielfältige Bildsprache und nennen Sie auf die Zielgruppe zugeschnittene Aufgaben und Anforderungen.
Zum Schluss noch eine Anregung zum „(m/w/d)“: Ändern Sie zur Abwechslung doch einfach die Reihenfolge in „(w/d/m)“ oder – alphabetisch – „(d/m/w)“. Und fügen Sie ein „x“ für jene ein, die kein Geschlecht eingetragen haben: „(d/m/w/x)“. (Mehr Tipps dazu stehen übrigens in der Broschüre TransVisible.)
Und wenn Sie mal was ganz Verrücktes tun wollen, dann lassen Sie das „(m/w/d)“ im Stellentitel weg und schreiben Sie zwischen die Klammern, was Sie eigentlich meinen. Nämlich: Alle Geschlechter willkommen.

Die Autorin

Jeanne Wellnitz ist Autorin des Kompendiums Gendersensible SpracheDie gebürtige Berlinerin ist neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin Redakteurin beim Fachmagazin Human Resources Manager. Sie hat Literatur- und Sprachwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert, beim Magazin KOM volontiert und schreibt Literaturkritiken für das Bücher Magazin und die Psychologie HeuteHier können Sie sich die Kolumne als Pdf herunterladen.

Quellen

Jeanne WellnitzTextkompetenz gesucht (m/w/d). HRM: https://www.humanresourcesmanager.de/employer-branding/gendergerechte-jo…
Simone BurelQuick Guide. Female Leadership. Frauen in Führungspositionen in der Arbeitswelt 4.0. Springer Gabler, Seite 94.
Simone Burel et al (2018): Deutsche Stellenausschreibungen unterscheiden zwischen Mann und Frau: Wie geschlechtsspezifische Sprache die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verfestigt. Abrufbar unter: https://lub-mannheim.de/wp-content/uploads/2021/02/Burel-Spitzer-Tschuerz-Deutsche-Stellenausschreibungen-unterscheiden-zwischen-Mann-und-Frau.pdf
Damelang & Rückel (2021). Was hält Frauen von beruflichen Positionen fern? Ein faktorieller Survey zum Einfluss der Gestaltung einer Stellenausschreibung auf deren Attraktivitätseinschätzunghttps://link.springer.com/article/10.1007/s11577-021-00729-z
Horvath & Sczesny (2016). Reducing women’s lack of fit with leadership positions? Effects of the wording of job advertisements. European Journal of Work and Organizational Psychology25, 316-328: https://www.researchgate.net/publication/279515531_Reducing_Women%27s_Lack_of_Fit_with_Leadership_Effects_of_the_Wording_of_Job_Advertisements
Broschüre: TransVisible. Praxistipps für Stellenausschreibungen, Bewerbungsverfahren und Onboardinghttps://docplayer.org/207960372-Trans-und-arbeitsmarkt-i-praxistipps-fuer-stellenausschreibungen-bewerbungsverfahren-und-onboarding.html

Diese Kolumne erschien zuerst im Magazin KOM 1/2022.
Hier geht es zu den Kolumnen Können Studenten Studierende sein?Knifflige Komposita: Mitarbeitermagazin – gendern oder nicht?, Stern oder nicht Stern – wie wird der Rechtschreibrat entscheiden? und Ist der Genderdoppelpunkt barrierefrei?.