#FactoryWisskomm des BMBF: Wer setzt die Empfehlungen für eine bessere Wissenschaftskommunikation nun um?
Jens Rehländer, Kommunikationschef der VolkswagenStiftung und Leiter der Kompetenzgruppe Wissenschaftskommunikation im BdKom, hat als Experte an der #FactoryWisskomm teilgenommen. Neun Monate lang debattierten 150 Fachleute aus den Hochschulen und der Kommunikationspraxis, um zu einem Aktionsplan des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für die Wissenschaftskommunikation beizutragen. Am 23. Juni stellte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek die Ergebnisse vor. Hier zieht Rehländer ein durchwachsenes Fazit.
Es sollte ein Meilenstein in ihrer Amtszeit werden: Bundesforschungsministerin Anja Karliczek hatte Wissenschaftskommunikation frühzeitig zur Chefinnensache erklärt und wollte mit der Vorstellung eines Aktionsplans am 23. Juni 2021, unmittelbar vor der parlamentarischen Sommerpause, einen soliden Haken hinter diese Aufgabe setzen. Neun Monate lang hatten unter dem Dach der Karliczek-Initiative #FactoryWisskomm Fachleute aus den Hochschulen und der Kommunikationspraxis debattiert. In sechs AGs wurden sowohl visionäre wie praxistaugliche Ratschläge erarbeitet, um Wissenschaftskommunikation in Deutschland „besser“ zu machen.
Dabei richtete sich der Blick vor allem auf das forschende Personal in den Hochschulen und außeruniversitären Bereichen, die beim Kompetenzaufbau unterstützt und mehr Anerkennung und Reputation für ihr Vermittlungsengagement erfahren sollten. Und es ging darum, wie Qualitätsstandards für Informationen aussehen sollten, die die Wissenschaft selbst an ein breites Publikum vermittelt. Nur zwei AGs erkundeten die Optimierungspotentiale an Schnittstellen zur Öffentlichkeit: jene über Partizipation und jene über „Wissenschaftsjournalismus im digitalen Zeitalter“, an der auch der Autor dieses Beitrags beteiligt war. Die Wissenschaftskommunikation forschender Unternehmen in der Privatwirtschaft war in der #FactoryWisskomm komplett außen vor.
Doch bei der virtuellen Abschlusspräsentation letzte Woche war von einem Aktionsplan keine Rede mehr. Auch das Wort „Selbstverpflichtung“, mit dem das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) insbesondere die Wissenschaftsorganisationen in die Pflicht hatte nehmen wollen, fiel nicht mehr. Stattdessen trägt der fast 100-seitige Abschlussbericht der #FactoryWisskomm den unverbindlichen Titel „Handlungsperspektiven für die Wissenschaftskommunikation“. Die Beharrungskräfte im öffentlich finanzierten Wissenschaftssystem dürften den Ausgang der #FactoryWisskomm mit Erleichterung aufgenommen haben: Man kann Empfehlungen aufgreifen. Man kann es aber auch lassen.
Diese unentschlossene Haltung hat Tradition. „Perspektiven“, „Empfehlungen“, „Leitlinien“, „Grundsätze“ für „bessere“ Wissenschaftskommunikation hat es schon vor der #FactoryWisskomm in großer Fülle gegeben. Doch kaum ein Vorschlag der fachlich ausgewiesenen und multiperspektivisch besetzten Gremien hat bis heute den Weg in die Praxis gefunden. Deshalb wurde der vom BMBF orchestrierte Prozess von der Community mit hohen Erwartungen begleitet. Nun aber fragen sich viele: Und wie geht´s weiter?
Man hatte gehofft, die öffentliche Wissenschaft würde aus ihrer Selbstreferentialität herausfinden. Doch weil das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft nach wie vor hoch ist und die öffentlichen Fördermittel fließen, mangelt es an Veränderungswillen mit Blick auf Wissenschaftskommunikation. Auch ungeachtet der Tatsache, dass der Gegenwind während der Pandemie stark zugenommen hat: Im Social Web und auf der Straße säen nicht nur „Querdenker“ beharrlich Zweifel an evidenzbasiertem Wissen. Äußerungen aus der Politik machen deutlich, dass dort das Verständnis für wissenschaftliche Verfahren und regelbasierte Erkenntnisprozesse dramatisch unterentwickelt ist. Und die Wissenschaft offenbart, dass sie mit den Logiken der Politik und der Medien nicht ausreichend vertraut ist. Zu tun, gäbe es also genug.
Der Ansatz von Bundesministerin Anja Karliczek, Wissenschaftskommunikation zur Chefinnensache zu machen, war richtig und die #FactoryWisskomm eine gute Idee. Doch der Brückenschlag zwischen beiden Machtblöcken ist nicht gelungen: Das BMBF bestellt ein deutliches Plus an Wissenschaftskommunikation – und das System lehnt die Lieferung ab mit dem Hinweis auf seinen Autonomiestatus. Wenn die Politik mehr Kommunikation will, solle sie erstmal passende Rahmenbedingungen schaffen.
Wie also geht´s weiter? Man weiß es nicht. Auch das BMBF augenscheinlich nicht. Die letzte Seite im Berichtsordner der #FactoryWisskomm, die 93., trägt den Aufdruck: „To be continued“. Dahinter ist Platz für neue Empfehlungen neuer AGs.
Viel Platz.
Text: Jens Rehländer
Bild: BMBF/ Hans-Joachim Rickel
Jens Rehländer ist als Leiter der Kompetenzgruppe Wissenschaftskommunikation des BdKom unter der E-Mail Adresse rehlaender@volkswagenstiftung.de zu erreichen.