Die Suche nach dem “Wir”

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Die Suche nach dem "Wir"

Die Kompetenzgruppe Nachhaltigkeitskommunikation hatte eingeladen: Zu einer Podiumsdiskussion über die Frage nach dem Verbindenden in Zeiten der Polarisierung. Im Hauptstadtbüro der Otto Group sprach Gastgeber und Moderator Thomas Voigt mit seinen Gästen unter anderem über wütende Leserbriefe, Tech-Firmen als „Crackdealer“ und die Chancen für eine konstruktive öffentliche Kommunikation.

Der Status quo

Die Bewertung der Podiumsgäste zur aktuellen Debattenkultur fällt ernüchternd aus. Juri Schnöller (Cosmonauts & Kings) empfindet die Diskussion als emotional aufgeladen. Politische Diskurse würden ins Extreme getrieben, ohne die Mitte zu beachten. Regine Kreitz (BdKom) fordert mehr Perspektivwechsel. Große Teile der Gesellschaft würden unter dem Radar fliegen, während die politischen Ränder im Rampenlicht stünden. Der Dialog mit Bürger*innen stellt Bundestagsabgeordnete laut Thomas Heilmann (MdB) auf Belastungsproben. In den vielen Gesprächen spüre er eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft und wachsende Ablehnung der Menschen, miteinander zu sprechen.

„Es gibt ein ‘Wir‘, das nicht mehr zu unserem ‘Wir‘ gehört, weil es sich ausgestoßen fühlt.“

Lorenz Maroldt

Social Media als Katalysator

Einigkeit herrscht darüber, wie Social Media das Extreme befördert und KI entsprechende Manipulation in Zukunft noch leichter machen wird. Schnöller ist Experte für Daten und Algorithmen und meint: Die Ruhe aus der Zeit des „Sommermärchens“ kommt nicht zurück. Die Riesen der Tech-Branche im Silicon Valley wüssten sehr genau, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Für ihn gleichen sie „Crackdealern“, die versuchen, die Menschen immer abhängiger von Smartphones und Social Media zu machen. Christina Beck (Max-Planck-Gesellschaft) sieht deshalb die großen Tech-Unternehmen in der Pflicht. Sie seien für die Algorithmen verantwortlich, die extreme Meinungen auf Social Media begünstigten und Fakten zu gesellschaftsrelevanten Themen benachteiligten. Würde der Algorithmus sie abstrafen, hätten Leugnungen und Fake News es deutlich schwerer.

„Wir erreichen mehr ‘Wir‘ durch Kommunikation, wenn wir einerseits wachsamer sind gegenüber Manipulationsversuchen und andrerseits mit mehr Gelassenheit und Humor in den täglichen Meinungskampf gehen.“

Regine Kreitz

Die Rolle der Kommunikation

Was also kann öffentliche Kommunikation erreichen? Laut Kreitz eine ganze Menge und es sei die Aufgabe der Profis, die Regeln guter Kommunikation zu verteidigen. Maroldt sieht den Schlüssel beim Zuhören. Wütenden Leserbriefen begegne er mit einem offenen Ohr, statt den moralischen Finger zu heben. Die Wirkung sei häufig erstaunlich. Für Heilmann müsse die Politik noch stärker auf die Menschen zugehen, um sie zu erreichen. Beck bedauert, wie schwer es Fakten, zumal wenn sie eine gewisse Komplexität abbilden, bei den Medien haben. Denn hohe Klickzahlen seien vermeintlich nur durch Zuspitzung zu erreichen. Das Risiko für engagierte Wissenschaftler*innen, ins Fadenkreuz zu gelangen, sei hoch. In einem sind sich alle einig: Gute Kommunikation ist nicht alles, aber ein zentraler Baustein auf dem Weg zum „Wir“.

Die Ergebnisse des Panels fasst Moderator Thomas Voigt (Otto Group) zusammen: In der hitzigen Debatte hilft es, mehr zuzuhören, statt nur zu senden. Streit ist gut, denn Streit ist demokratisch – solange die Gesetze und Spielregeln der Demokratie beachtet werden. Sie dienen als Grundlage, um gemeinsam zu diskutieren, Perspektiven auszutauschen und letztlich wieder zueinander zu finden.