Ein Verein als Herzenssache im Millionenbusiness Profi-Fußball
Ein Europapokal, ein heiliger Rasen und davor zwei Auswechselbänke, ein Adler in Stein gemeißelt oder ein Top-Stürmer im Streik – der Besuch des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt ist viel mehr als eine 1:0-Berichterstattung. Die Frankfurter Eintracht mit ihren inzwischen 130.000 Mitgliedern ist vielen Menschen eine absolute Herzensangelegenheit. Der Verein spielt mit im millionenschweren Profisport-Business, muss täglich nationale und globale Medienanfragen bedienen und ist darüber hinaus auch Heimat für Breitensportler in mehr als 50 Sportarten. Eine kommunikative Mammutaufgabe also, die gut 50 Mitglieder der BdKom-Landesgruppe Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland Ende September 2023 an einem sommerlichen Abend mit „Warm-up“ und zwei Halbzeiten in vielen Details vor Ort erleben durften – vom Eintracht-Museum über das Stadioninnere bis zum Proficamp mit dem Raum für Pressekonferenzen.
Kommunikationschef im Gespräch
Dort erklärte Timo Mussler, Senior Manager Unternehmenskommunikation bei Eintracht Frankfurt, zunächst wichtige Kennzahlen. Der Verein erreicht etwa auf LinkedIn rund 52.000, auf YouTube 139.000, auf X (ehemals Twitter) 885.000, auf Instagram 963.000, auf TikTok 1.060.000 und auf Facebook 1.390.000 Menschen. In der Saison 2016/2017 war Eintracht Frankfurt sogar Bundesliga-Social-Media-Champion.
Anschließend konnten der stellvertretende BdKom-Landesgruppensprecher Oliver Claas sowie die anderen Teilnehmenden Eintracht-Kommunikationschef Jan Martin Strasheim all die Dinge fragen, die in einer „normalen“ Eintracht-Pressekonferenz nur selten zur Sprache kommen. Etwa die Größe der Medianabteilung, die inzwischen auf stolze 37 Personen angewachsen ist und bald um ein eigenes Video-Produktionsteam erweitert werden soll. Oder die Frage nach den bevorzugten Mediengattungen, auf die Strasheim eine klare Antwort hat: „Natürlich müssen wir die Hauptrechteeinkäufer, also die TV-Sender, bevorzugt bedienen, weil sie uns ja bezahlen. Aber danach gibt es keine Rangliste; wir versuchen alle Medienanfragen gleichermaßen zu beantworten.“ Auch auf die Spielerinterviews nimmt der Verein Einfluss. Zwar nicht mit vorgegebenen Sprechzetteln, aber durchaus mit der Organisation und der anschließenden Freigabe von Zitaten. Denn in Zeiten, in denen Medien gerne mit einzelnen Aussagen auf Schlagzeilenjagd gehen und vor allem Gerüchte über Vereinswechsel gestreut und aufgegriffen werden, will der Verein eine gewisse Kontrolle über das Gesagte behalten. Trotzdem gehören unautorisierte Interviews einzelner Spieler zum Tagesgeschäft einer Kommunikationsabteilung – weil im Millionengeschäft Fußball die Vereinstreue manchmal nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Wie lief der Wechsel von Kolo Muani?
Das hatte die Eintracht zuletzt schmerzlich beim halb erzwungenen Wechsel ihres Star-Stürmers Randal Kolo Muani nach Paris erlebt. Weil der Spieler in Streik getreten war, um seine Ablöse zu erzwingen, standen der Eintracht-Vorstand und die Kommunikation plötzlich vor der kniffligen Situation, einerseits nicht einzuknicken und damit einen Präzedenzfall zu schaffen, andererseits aber auch nicht alle Türen vorschnell zuzuschlagen. „Wir haben die Lage ganz offen und transparent kommuniziert. Das hat die Fans abgeholt und sie haben unsere Entscheidung, Muani letztendlich gehen zu lassen, dann auch gut mitgetragen“, sagt Strasheim. Wobei 95 Millionen Euro Transfereinnahmen auch ein starkes Argument waren, die sich die Eintracht nicht entgehen lassen konnte, räumt er ein.
Und bei aller Offenheit gibt es aber auch in der Kommunikation der Eintracht ein paar wenige Themen, über die der Verein nicht mehr so gerne reden mag. Wie war das nochmal mit Peter Feldmann, dem damaligen Oberbürgermeister Frankfurts, als er sich 2022 den Europapokal schnappte, um damit selbst vor die Fans auf dem Römer zu treten? „Nun ja“, sagt Jan Martin Strasheim mit einem Lächeln: „Mittlerweile haben wir ja einen anderen Oberbürgermeister…“
Eintracht-Zentrale, Museum und Stadion besucht
Der Austausch mit Strasheim fand in dem Raum statt, in dem Eintracht Frankfurt vor den Spielen seine Pressekonferenzen abhält. Der liegt in der neuen Eintracht-Zentrale mit der Adresse „Im Herzen von Europa 1“. Der Verein wollte sich die Chance nicht entgehen lassen, sowohl das eigene Arbeitsumfeld als auch seine Historie in ein neues Licht zu tauchen. Vor zwei Jahren wurde direkt neben dem berühmten Waldstadion für 30 Millionen Euro das sogenannte Proficamp gebaut – eine eindrucksvollen Vereinszentrale, in der alle Fäden zusammenlaufen, inklusive dem Eintracht-Adler-Logo auf der Dachterrasse. Auch dies eine Kommunikationsmaßnahme, da täglich eine Vielzahl an Flugzeugen im Landeanflug auf Frankfurt direkt über diesem Eintracht-Logo einschweben. Im großen Foyer des Gebäudes steht der Adler dann aus Stein gemeißelt – jede einzelne Feder ein Kunstwerk. Es ist die Arbeit eines Steinmetzes und Eintracht-Fans, wie Jan Strasheim erläutert. Auch dies symbolisiere die tiefe Verbundenheit der Menschen mit diesem Verein.
Diese Verbundenheit lässt sich auch im Stadion spüren, wo jedes Spiel inzwischen mit mehr als 50.000 Menschen ausverkauft ist und rund 10.000 Sitze als Fan-Memorabilia verkauft wurden, als jüngst alle Sitzschalen erneuert werden mussten. Auf der Auswechselbank der Eintracht dürfen die BdKom-Besucher zwar nicht sitzen, wohl aber auf den Sitzen der jeweiligen Gastmannschaft. „Die dürfen ruhig ein bisschen abgewetzter sein“, sagt Matthias Thoma, der als Leiter des Eintracht-Frankfurt-Museums fast alles über seinen Herzensverein weiß.
Die Stadionführung war Teil der „Aufwärmphase“ der Veranstaltung im Eintracht-Museum im Erdgeschoss des Stadions. Hier hatte Thoma zuvor den HSV gelobt, weil dieser Verein zuerst überhaupt ein Museum eröffnet hat und damit andere Vereine wie Eintracht Frankfurt auf den Geschmack brachte. Heute sei das Eintracht-Museum nicht mehr wegzudenken und müsse sogar erweitert werden, um die Pokale der jüngsten Erfolge angemessen präsentieren zu können. Der Europapokal, den die Mannschaft 2022 nach einem emotionalen Endspiel in Sevilla gegen die Glasgow Rangers nach Frankfurt geholt hatte, war aber schon zu sehen. Befreit von der Glasvitrine war das ein Highlight des ersten Teils. Nach dem Gruppenfoto machten sehr viele noch eine Einzelaufnahme von sich neben der Trophäe. Auch der DFB-Pokal von 2018 begeisterte und war als Fotomotiv beliebt, bevor die Gruppe dann in das Stadion wechselte.
Hier geht es zur Bildergalerie: https://openeyeffm.de/hHXGuAjqQx
Text: Holger Paul
Bild: Ralf Werner