„Wir müssen das Licht füttern, nicht den Schatten“
Am 15. November hat die letzte BdKom-Denkfabrik für dieses Jahres stattgefunden, die sich einem immer präsenteren Phänomen widmete: der Hassrede im Netz. Mit der Journalistin, Ärztin und Autorin Gilda Sahebi erhielten über 80 Teilnehmende in dem einstündigen digitalen Mittagsformat spannende Einblicke in das Thema und diskutierten angeregt. Neben den Mitgliedern des BdKom hatte die Landesgruppe auch Mitglieder vom Frankfurter PresseClub e.V. eingeladen. „Schließlich betrifft das Thema Hate Speech uns alle“, erklärte Landesgruppensprecher Oliver Claas in seiner Begrüßung, bevor er das Wort an Gilda Sahebi übergab. Insbesondere auf Social-Media-Plattformen nimmt Hassrede bedenkliche Ausmaße an und beeinflusst zunehmend unsere gesellschaftlichen Diskurse.
Doch was ist Hassrede eigentlich? Hier liegt schon das erste Problem, denn es gibt keine wissenschaftliche oder rechtlich eindeutige Definition von Hassrede, und sie taucht nicht im deutschen Strafrecht auf. Das Statistische Bundesamt beschreibt Hassrede als Informationen oder Kommentare, die feindselig oder erniedrigend gegenüber Personengruppen oder Einzelpersonen sind. Es veröffentlichte zudem Zahlen zur Wahrnehmung von Hassrede im Netz: Im ersten Quartal 2023 haben gut 27 Prozent der Deutschen Hassrede im Netz wahrgenommen. Rund 15,8 Millionen Nutzer gaben an, mit Hassrede konfrontiert gewesen zu sein, davon 79 Prozent aufgrund von politischen oder gesellschaftlichen Äußerungen. (Quelle: Gut ein Viertel der Internetnutzenden stößt im Netz auf „Hatespeech“ – Statistisches Bundesamt)
Deutlich wurde in Sahebis Vortrag aber auch: Die direkte menschliche Verbindung und damit die unmittelbare Kommunikation ist heute immer wichtiger. Viele Menschen wollen differenziert diskutieren, auch wenn der Diskurs im Netz einen anderen Anschein erweckt. Doch im Netz werde nicht die Gesellschaft widergespiegelt, stattdessen heben Algorithmen negative Inhalte mehr hervor als positive Nachrichten. Zudem müsse man fast immer bedenken, dass die angegriffene Person oder auch Unternehmen nur eine Projektionsfläche für die Probleme oder Konflikte des Angreifenden seien.
Wie kann man Hassrede als Privatperson oder Kommunikator/Kommunikatorin entgegentreten? Laut Gilda durch situatives Zuhören und Fragen stellen, oder durch Abstand – aber nie mit dem Drang, jemanden zu überzeugen oder umzustimmen. Gegenreden als Antwort auf Hasskommentare seien zwar ein Mittel, um Mitlesende über die eigene Position aufzuklären, aber nicht zum Umstimmen des Angreifenden. Auf den sozialen Medien könne man nachgewiesenermaßen niemanden überzeugen, da die eigenen Einstellungen und Narrative sich langsam verändern, während sich auf Social Media viel schneller die Fronten verhärten.
Medienbildung und emotionale Bildung, aber auch persönliche Gespräche und positive Botschaften seien Teil der Lösung. „Wir müssen das Licht füttern, damit es größer wird – nicht den Schatten“, schloss Gilda die kurzweilige und wichtige Denkfabrik.
Ursprünglich war auch Dirk Metz, Experte für Krisenkommunikation und Sprecher der Familie des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, als Referent eingeladen, der jedoch aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Das Sprecherteam plant daher einen zweiten Teil der Denkfabrik zum Thema Hate Speech, bei dem Metz seine Erfahrungen teilen wird.